Phänomen Nostalgie: War früher wirklich alles besser?
Haben Sie sich auch schon einmal bei dem Gedanken erwischt, dass früher alles besser war? Früher war das Leben einfacher, es gab noch weiße Weihnachten und nicht zu vergessen die Haushaltsgeräte, die früher doch viel länger hielten. Wirtschaftswunder statt Inflation und bezahlbare Eigenheime statt Wohnungsmangel. Doch was steckt hinter diesen nostalgischen Gedanken? War früher tatsächlich alles besser als heute oder handelt es sich dabei um einen Trugschluss?
Wir haben uns für Sie näher mit dem Phänomen Nostalgie befasst und die „guten alten Zeiten“ einmal genauer untersucht.
Was bedeutet Nostalgie?
In Erinnerungen schwelgen und sich nach vergangenen Zeiten sehnen: Nostalgie ist ein Gefühlszustand, bei dem Sehnsucht eine wichtige Rolle spielt. Wir sehnen uns auf fast schon romantische, sentimentale Art und Weise nach der Vergangenheit. Sicher haben Sie dieses Gefühl auch schon einmal selbst erlebt: Sie schauen sich alte Bilder oder Erinnerungsstücke an und erfahren dabei ein wohliges Gefühl. Doch die Bedeutung von Nostalgie hat sich erst im Laufe der Jahrhunderte zu dem entwickelt, was wir heute unter der Sehnsucht nach vergangenen Zeiten verstehen.
Früher wurde das Gefühl der Nostalgie mit Heimweh gleichgesetzt und war zudem negativ behaftet, da das Phänomen in der Medizin als Krankheit galt. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erkannte die Wissenschaft auch positive Effekte der Nostalgie und es etablierte sich das Verständnis, wie wir es heute kennen. Dabei werden die Momente der Nostalgie durch die unterschiedlichsten Dinge ausgelöst.
Wenn uns warm ums Herz wird: Wann kommt Nostalgie auf?
Waren Sie schon einmal auf einer 70er-Jahre-Party und haben einen Song aus Ihrer Vergangenheit gehört? Dann wurden Sie in dem Moment sehr wahrscheinlich auch von einer nostalgischen Erinnerung eingeholt. Doch nicht nur bei Liedern und Musik aus der Vergangenheit kommt Nostalgie auf. Auch Fotos oder bestimmte Orte wecken bei vielen Menschen die Sehnsucht nach längst vergangenen Zeiten.
Darüber hinaus sorgen auch andere Sinneseindrücke dafür, dass wir nostalgische Momente im Alltag erleben. Das kann ein spezieller Geruch sein, den wir beispielsweise mit unserer Jugendliebe verbinden oder der Geschmack von einem Gericht, der uns in unsere Kindheitstage zurückversetzt. Entscheidend für die nostalgische Erinnerung ist nur, dass wir in dem Augenblick an eine bestimmte Zeit in unserer Vergangenheit zurückdenken, die uns in dem Moment als rundum glückliche und schöne Erinnerung erscheint.
Darum sehnen wir uns nach der Vergangenheit
Damals hatten Kinder noch echte Manieren und die Jugend war nicht so frech wie heute. In unserer Erinnerung erscheinen die Dinge häufig anders als in der Realität. Denn auch früher gab es bereits unerzogene Kinder und draufgängerische Jugendliche. Dass wir die Vergangenheit als „gute alte Zeiten“ wahrnehmen, ist auf eine verzerrte Wahrnehmung zurückzuführen.
Unser Gehirn speichert die schönen Erinnerungen ab, an die wir gerne zurückdenken wollen. Negative Eindrücke hingegen vergessen wir mit der Zeit häufig, sodass uns frühere Lebensabschnitte deutlich positiver in Erinnerung bleiben, als sie sich tatsächlich ereignet haben. Schließlich erinnert sich niemand gerne an den Krieg, politische Krisen oder gesellschaftliche Missstände zurück. Wir Menschen bleiben daher lieber im Glauben, dass das Leben früher besser war.
So erinnern wir uns nach Jahrzehnten häufig immer noch gerne an unsere Schulzeit zurück, obwohl wir es eigentlich besser wissen müssten, da auch Sie als Kind sicher den einen oder anderen Schultag verflucht haben. Und auch die frühere Politik erscheint uns im Rückblick weniger chaotisch oder krisenbehaftet. Dabei ist der positive Blick in die Vergangenheit trügerisch, denn den Menschen geht es heute besser als je zuvor: Die Kriminalitätsrate ist seit Jahren rückläufig und auch andere Faktoren haben sich in den vergangenen Jahrzehnten stetig verbessert.
Beispielsweise genießen die Menschen heutzutage eine bessere Bildung, erzielen höhere Einkommen und haben eine deutlich längere Lebenserwartung als früher. Dank technologischer und medizinischer Fortschritte können Krankheiten heutzutage schneller und besser behandelt oder gar geheilt werden. Statt auf den Zollstock setzen Lehrkräfte heutzutage auf pädagogische Weiterbildungen und die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern verzeichnet im Laufe der Jahrzehnte ebenfalls eine positive Entwicklung in unserer Gesellschaft.
Retro-Chic, Vintage und Co. – wie Werbung sich die Nostalgie zunutze macht
Das Phänomen der Nostalgie erfreut sich auch im Marketing großer Beliebtheit. Viele Werbetreibende setzen bei ihren Strategien auf die „guten alten Zeiten“ und die Verklärung der Vergangenheit. Damit wird den Konsumentinnen und Konsumenten ein Gefühl von Sicherheit und Vertrautheit suggeriert.
Und auch bei der Produktherstellung wird vermehrt auf die positiven Effekte der Nostalgie gesetzt. Vielleicht sind auch Sie bereits Trendbewegungen wie „Retro-Chic“ oder „Vintage“ begegnet, bei denen neuen Dingen wie Möbeln, Kleidung oder Schmuck eine alte Optik verliehen wird, sodass diese auf uns einen nostalgischen Charme haben. Besonders beliebt sind seit einiger Zeit beispielsweise auch Kühlschränke im Retro-Design, die an den Stil der 50er-Jahre angelehnt sind. Werbetreibende greifen insbesondere auch bei einem Produkt-Jubiläum gerne in die Retro-Kiste und vermarkten neue Ware einfach im alten Design.
Darum macht uns das Gefühl der Nostalgie glücklich
Studien legen nahe, dass Menschen, die sich der Nostalgie ab und zu hingeben und in Erinnerungen schwelgen, zufriedener sind. Nostalgische Momente im Alltag helfen dabei, dass Sie in Ihrem Leben mehr Sinn sehen und sich auch mit Ihren Liebsten verbundener fühlen.
Auch für gegenwärtige Situationen bringt die Nostalgie positive Effekte mit sich. Eine Studie brachte hervor, dass Nostalgie gegen Einsamkeit hilft. Vielleicht haben Sie das selbst schon einmal erlebt? Sie sind an einen neuen Ort gezogen und fühlten sich zu Beginn einsam. Dies löst häufig nostalgische Erinnerungen aus, die dafür sorgen, dass Sie sich mit anderen Menschen verbundener fühlen. Durch die Nostalgie stärken Sie in solchen Momenten Ihr Wohlbefinden, indem Sie sich in einsamen Stunden beispielsweise an Ihren alten Freundeskreis in Ihrer Heimatstadt und die schöne gemeinsame Zeit erinnern.
Kleine Augenblicke der Nostalgie führen außerdem dazu, dass wir unsere bisherige Entwicklung im Leben Revue passieren lassen. So trägt beispielsweise die Erinnerung an den Schul- oder Universitätsabschluss dazu bei, dass Sie erkennen, wie weit Sie im Leben schon gekommen sind und welche emotionale und persönliche Entwicklung bereits hinter Ihnen liegt.
Doch Vorsicht, der Blick in die Vergangenheit sollte im Alltag nicht Überhand nehmen. Denn wenn die Nostalgie in Wehmut umschlägt, kann dies dazu führen, dass wir uns in der Vergangenheit verlieren und nicht mehr in der Gegenwart leben – und so verpassen, was uns wirklich glücklich macht.
Fazit
Wir Menschen neigen dazu, Erinnerungen zu beschönigen, wodurch uns die Vergangenheit besonders positiv erscheint. Doch nicht immer stimmen diese Erinnerungen auch mit der Realität überein. Dennoch bringen nostalgische Erinnerungen auch positive Effekte mit sich und können beispielsweise bei Einsamkeit und Traurigkeit helfen. Sie sollten bei all der Schönheit der Nostalgie jedoch nicht den Blick für die Gegenwart und die Zukunft verlieren. Denn nur, wer im gegenwärtigen Augenblick lebt, schafft neue Erinnerungsmomente für die Zukunft.
Haben Sie auch noch eine Kiste mit alten Erinnerungsstücken auf dem Dachboden liegen? Oder blättern Sie vielleicht regelmäßig in alten Fotobüchern, um auch nach Jahren noch in Erinnerungen zu schwelgen? Erzählen Sie uns von Ihren Erfahrungen mit Nostalgie in den Kommentaren.
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