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Vergessene Berufe – ein Blick in die Vergangenheit der Arbeitswelt

9 Min.

Unsere Welt entwickelt sich ständig weiter und mit ihr verändern sich auch die Berufsbilder der Menschen. Der Wandel unserer Arbeitswelt und Wirtschaft hat dazu geführt, dass bestimmte Tätigkeiten, die früher unverzichtbar waren, heute überflüssig erscheinen. Im Laufe der Zeit sind daher einige Berufe in den Hintergrund getreten und fast in Vergessenheit geraten. Doch hinter diesen vergessenen Berufen verbirgt sich ein Stück Geschichte und jahrhundertealte Traditionen, denen wir in diesem Magazinartikel auf den Grund gehen.

Der Blick in die Vergangenheit zeigt, wie sich unsere Gesellschaft verändert hat und wie sich die Bedürfnisse der Menschen mit den Jahren gewandelt haben. Gehen Sie mit uns auf eine spannende Reise in die Welt der fast vergessenen Berufe.

Georg Schenk
Lifta Magazin Autor

10 fast vergessene Handwerksberufe und Professionen

In den vergangenen Jahrhunderten gab es eine Vielzahl von Berufen, die heute fast in Vergessenheit geraten sind. Diese Beschäftigungen waren einst für eine funktionierende Gesellschaft und Wirtschaft von großer Bedeutung, wurden aber im Laufe der Zeit durch den technischen Fortschritt und den gesellschaftlichen Wandel überflüssig. Vom Laternenanzünder bis zum Sattler – wir stellen Ihnen zehn fast vergessene Berufe und ihre historischen Hintergründe vor.

1. Böttger

Fast vergessene Berufe: Fässer eines Böttchers

Ein Böttger (auch Böttcher) ist ein Handwerker, der Holzfässer herstellt. Die Fässer wurden früher traditionell für die Lagerung und den Transport von Flüssigkeiten wie Wein, Bier, Öl und Wasser verwendet. In den Bottichen lagerten aber auch Fleisch, Getreide oder Salz. Die Arbeit eines Böttchers erfordert handwerkliches Geschick, Präzision und umfassende Kenntnisse verschiedener Holzbearbeitungstechniken. Zu den Aufgaben des Böttgers gehört es unter anderem, das Holz zurechtzuschneiden, in Form zu bringen und die Bretter so miteinander zu verbinden, sodass ein brauchbares Fass daraus entsteht.

In Zeiten der mittelalterlichen Hanse war der Beruf des Böttchers unentbehrlich. Im Laufe der Modernisierung der Industrie ging die Nachfrage nach Holzfässern zwar zurück, da heutzutage andere Materialien wie Edelstahl und Kunststoff für die Lagerung und den Transport vieler Lebensmittel verwendet werden. Dennoch existiert der Job des Böttchers auch heute noch als traditioneller Ausbildungsberuf. Stichsägen, Schleifmaschinen oder Gabelstapler erleichtern und minimieren den Kraftaufwand bei der Fassherstellung heutzutage jedoch erheblich.

2. Harzer

Harzer waren früher viel in der Natur unterwegs und streiften durch die Wälder. Dort sammelten sie das Harz aus den Bäumen. Der Beruf des Harzers war jedoch ein mühseliger Knochenjob: Um an die natürliche Ressource zu gelangen, mussten die Harzer meist mehrere Kilometer pro Tag zurücklegen und die Bäume einzeln „anzapfen“. Der Harzer befreite den Baum zunächst von der Rinde und zog eine schmale Rinne in die Rinde, über die das Harz in ein einen kleinen Topf floss. Zwischendurch mussten die vollen Töpfe regelmäßig geleert werden. Vor allem in der ehemaligen DDR erlebte der fast vergessene Handwerksberuf des Harzers einen regelrechten Boom, als der Rohstoff zum Exportschlager wurde.

Das Harz wurde früher beispielsweise zur Dichtung von Schiffen verwendet oder diente als wichtiger Rohstoff für Lacke, Teer oder Papier. Heutzutage hat sich die Verwendung von Harz verändert, da moderne chemische Stoffe die traditionellen Anwendungen in vielen Bereichen ersetzt haben. Dennoch ist die klebrige Masse auch heute noch in vielen Produkten enthalten wie beispielsweise in Kaugummis.

3. Aufzugführer

Fast vergessene Berufe: Anzeige eines Aufzugs

Der Beruf des Aufzugführers (auch „Liftboy“ genannt) war in einer Zeit relevant, in der Aufzüge in Gebäuden noch manuell bedient wurden. Aufzug- oder Fahrstuhlführer bedienten Personenaufzüge in großen Gebäuden wie Hotels, Unternehmen oder Behörden. Ihre Aufgabe war es, die Personen sicher in die gewünschten Stockwerke zu befördern. Dabei öffneten und schlossen sie die Türen vorschriftsgemäß und halfen den Fahrgästen auch mit ihrem Gepäck. Ein Aufzugführer hatte dabei stets die Sicherheitsvorschriften im Blick und achtete beispielsweise darauf, dass die zugelassene Anzahl an Personen im Fahrstuhl nicht überschritten wurde. Darüber hinaus musste ein Fahrstuhlführer je nach Gebäude weitere Anforderungen erfüllen: In Hotels beantwortete der Liftboy Fragen zu den nächstgelegenen Sehenswürdigkeiten, bei Regenwetter sorgte er stets dafür, dass der Boden des Lifts sauber und trocken war. Bei einer Störung informierte der Aufzugführer den technischen Service.

Mit der Entwicklung automatisierter Aufzugsysteme wurde der Beruf des Aufzugführers fast über Nacht überflüssig. Heute funktionieren Aufzüge in den meisten Gebäuden vollautomatisch und erfordern keine manuelle Bedienung mehr.

Unser Tipp – ein Treppenlift für das barrierefreie Zuhause

Aufzüge erleichtern nicht nur in öffentlichen Gebäuden das Überwinden der Etagen – auch im eigenen Zuhause stellen Liftsysteme eine wichtige Maßnahme zum barrierefreien Wohnen dar. Besonders im Alter fällt vielen Personen das Treppensteigen schwer – ein Treppenlift bringt Ihnen ein Stück weit Mobilität zurück und bietet zudem eine effektive Sturzprophylaxe.

4. Fischbeinreißer

Fischbeinreißer lebten früher in Hafenstädten und waren dort noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts tätig. In Fabriken spalteten und reinigten die Fischbeinreißer das Fischbein, also die Barten des Walfisches. Statt Zähnen besitzen die riesigen Meerestiere bis zu vier Meter lange Barten im Oberkiefer. Diese bestehen aus der Hornsubstanz Keratin – wie bei uns Menschen die Fingernägel und Haare. Je nach Verwendungszweck stellte ein Fischbeinreißer Barten in verschiedenen Längen her.

Vor allem in der Mode waren die Hornplatten früher unerlässlich: Das Fischbein wurde zur Herstellung von Korsetts, Reifröcken oder Sonnenschirmen verwendet und bildete dabei als biegsamer Stab das formgebende Skelett der Produkte. Mit dem Aufkommen moderner Textiltechnologien und -materialien ging die Nachfrage nach Fischbein stark zurück und der Beruf des Fischbeinreißers verschwand nach und nach aus der Industrielandschaft.

5. Sattler

Fast vergessene Berufe: Sattel vom Sattler

Der Sattler war im Mittelalter ein wichtiger Handwerker, der Lederwaren wie Sättel, Zaumzeug und Riemen für Pferde anfertigte. Neben der Ausrüstung von Pferden fertigten Sattler häufig auch Taschen, Gürtel und andere Lederwaren für Menschen. In einer Sattlerei kamen Nähzeug, Locheisen oder Schneidewerkzeuge täglich zum Einsatz. Die Handwerker mussten verschiedene Näharten beherrschen, um das jeweilige Leder präzise zu bearbeiten.

Obwohl die Nachfrage nach traditionellen Sattlereiprodukten in der Neuzeit zurückgegangen ist, haben viele der grundlegenden Techniken des Sattlerhandwerks in der modernen Lederverarbeitung überlebt.

6. Sandmann

Um den Boden zu reinigen, benutzen wir heute Scheuermilch und andere Reinigungsmittel – früher diente den Menschen dazu Sand. Sie streuten den feinen Sand aus, liefen den ganzen Tag darauf herum und kehrten schlussendlich alles mitsamt dem Dreck aus dem Haus.

Sandmänner (auch Sandmacher) waren Tagelöhner, die den sogenannten Stubensand ausgruben, mahlten und an die Menschen verkauften. Auch Frauen und Kinder waren wahrscheinlich in diesem fast vergessenen Handwerksberuf tätig. Dabei war der Job meist alles andere als einfach. Die feinen Sandkörner reizten Hände und Augen – auch die Lunge brannte meist von der staubigen Arbeit. Im Laufe des 20. Jahrhunderts löste die Entwicklung moderner Reinigungsmethoden und -mittel die Verwendung von Sand ab, sodass auch der Beruf des Sandmanns mit den Jahren an Bedeutung verlor.

7. Laternenanzünder

Fast vergessene Berufe: Statue eines Laternenanzünders

Der Beruf des Laternenanzünders stammt aus dem 19. Jahrhundert, als Öllampen als Straßenbeleuchtung zum Einsatz kamen. Ihrer Berufsbezeichnung zufolge hatten die Laternenanzünder die Aufgabe, bei Einbruch der Dunkelheit, sämtliche Laternen anzuzünden und am Morgen wieder zu löschen.

Da Öllaternen in vielen Städten die einzige Lichtquelle in den frühen Abendstunden und während der Nacht waren, war die Rolle des Laternenanzünders für die Sicherheit und Orientierung der Menschen auf den Straßen unerlässlich. Mit der Entwicklung der elektrischen Straßenbeleuchtung verlor der Beruf des Laternenanzünders zunehmend an Bedeutung.

8. Drahtzieher

Der Beruf des Drahtziehers ist ein traditionsreicher Handwerksberuf. Bereits seit dem Mittelalter stellten Drahtzieher Drähte in mühsamer Handarbeit her. Das Verfahren des Drahtziehens hat sich über die Jahrhunderte kaum verändert. Diese Kunst erforderte früher im Vergleich zu heute jedoch deutlich mehr handwerkliches Geschick und höchste Präzision. Der Drahtzieher zog Metallstäbe (z. B. aus Eisen oder Kupfer) mehrmals durch Ziehmaschinen, um die gewünschte Dicke des Drahts zu erreichen.

Heute üben Fachkräfte für Metalltechnik die Tätigkeit des ehemaligen Drahtziehers aus. Moderne Maschinen ersetzen die Muskelkraft von früher und ermöglichen die Massenfertigung von Drähten in sämtlichen Längen und Dicken.

9. Seiler und Reepschläger

Fast vergessene Berufe: Seiler knüpft Seil

Wer früher Seile, Schnüre oder Taue aus Naturfasern wie Hanf oder Flachs herstellte, war ein Reepschläger oder Seiler. Während Reepschläger im Mittelalter meist für die Herstellung großer Schiffstaue zuständig waren, drehte sich der Beruf des Seilers um kleinere Stricke und Schnüre. Mit Hilfe von speziellen Geräten drehte der Seiler mehrere feine Schnüre zu einem dicken Seil.

Die Kunst der Seilherstellung erforderte Geschick und Erfahrung, um aus dem feinen Naturmaterial starke und haltbare Seile herzustellen. Mit der Einführung von Kunstfasern und dem Einsatz moderner Produktionsmaschinen hat sich das Verfahren der Seilherstellung seit dem Mittelalter stark verändert, weshalb der traditionelle Handwerksberuf des Reepschlägers der Vergangenheit angehört.

10. Köhler

Köhler waren vermutlich bereits seit der Eisenzeit dafür verantwortlich, Holz in speziellen Meilern zu Holzkohle zu verarbeiten. Meiler sind traditionelle, meist halbkugelige Öfen, die der Köhler aus verschiedenen Schichten aus Holz, Tannenästen oder Laub und Erde aufbaut. Ins Innere füllte der Köhler heiße Glut, durch die der im Meiler liegende Holzstapel langsam zu Kohle verglühte. Die wichtigste Aufgabe des Köhlers war, den Ofen auf der richtigen Temperatur zu halten und dafür zu sorgen, dass die Glut weder erlischt noch vollständig abbrennt. Dazu steuerte der Köhler die Luftzufuhr im Meiler über kleine Löcher in der Außenwand des Ofens.

Köhler zogen regelmäßig in den Wald und fällten dort Bäume für die Kohleproduktion – meist Buchen. Oft wohnten sie mit ihren Familien in abgelegenen Waldhütten und zogen erst weiter, wenn alles brauchbare Holz um sie herum verarbeitet wurde. Die Nachfrage nach Holzkohle war früher groß: Schmiede benötigten beispielsweise große Mengen, um Werkzeuge und Waffen herzustellen. Seit dem Übergang zur modernen Industrie wird Holzkohle in großen Fabriken produziert und der Beruf des Köhlers geriet mehr und mehr in Vergessenheit.

Fazit

Die fast vergessenen Berufe ermöglichen uns einen besonderen Einblick in die Vergangenheit: Jeder dieser Berufe erzählt eine eigene Geschichte von handwerklichem Geschick und lang gehegten Traditionen. Sie zeigen auch, wie sich die Arbeitswelt im Laufe der Jahre verändert hat und wie diese Berufe durch die Industrialisierung und Modernisierung unserer Wirtschaft nach und nach abgelöst wurden und in Vergessenheit gerieten.

Kennen Sie weitere, fast vergessene Handwerksberufe? Erzählen Sie uns davon in den Kommentaren.

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